Lernarchitektur
- 28. Februar 2022 - Behind the scenes
Weiterbildung zwischen selbstbestimmtem & gesteuertem Lernen
Autorin: Michelle Dahlmanns, FH Aachen
Nehmen wir an, wir könnten eine neue Welt entwerfen, in der Lehrende zu Lernenden werden und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Didaktik in ihrer digitalen und hybriden Lehre auffinden. Nennen wir dieses Konstrukt „Lernarchitektur“.
Einen spannenden Versuch der Definition einer Lernarchitektur hat Dr. Jörg Knoll in seinem Essay
„Lernen im geschaffenen Raum“ unternommen: ‚Lernarchitektur‘ - der Begriff hat neben seiner aktuellen Funktion einen Eigensinn. Dieser erschließt sich, wenn man das Wort beim Wort nimmt in seiner alten Bedeutung: ‚Architektur‘ = ‚Baukunst‘, oder ausführlicher umschrieben: die Theorie und die Praxis, Räume und Gebäude zu schaffen und zu gestalten, und das Ergebnis solchen Handelns. ‚Lernarchitektur‘ läßt sich demnach auch verstehen als jene Baukunst, die dem Lernen dient oder dienen soll, indem sie hierfür Häuser entwirft und verwirklicht, Räume ausstattet, Plätze inszeniert. Also: Häuser, Räume, Plätze, um sich Wissen anzueignen, Fähigkeiten zu erweitern, die eigene Person weiterzuentwickeln, sich zu bilden. Plätze, Räume, Häuser für Begegnung und Gespräch, für Hören und Sehen, für Eigentätigkeit ebenso wie für gemeinschaftliches Tun. All das gibt es ja nach wie vor, und zwar nicht nur neben den medialen Lernwelten als Ort anders gerichteter und gefüllter Lehr-Lern-Arrangements, sondern in vielen Fällen auch als der architektonische Außenraum für das Lernen von und mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.“
( Jörg Knoll: Lernen im geschaffenen Raum. Zum materiellen Verständnis des Begriffes „Lernarchitektur", in: DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung, 1999 (4), S. 24, online unter: https://www.die-bonn.de/zeitschrift/499/lernenraum.htm )
Sagen wir, dass wir nicht irgendeine beliebige Welt entwerfen möchten, sondern eine digitale mit ganz bestimmten Anforderungen. Wo beginnen wir? Warum sollten Lehrende Interesse haben sich dort aufzuhalten? Was soll dort geschehen? Wozu soll diese Welt gut sein? In welchem Universum ist diese Welt angesiedelt? Wo könnten Probleme auftreten?
Malen wir uns eine solche Lernarchitektur einmal aus: Welche Struktur geben wir vor, was überlassen wir den Nutzenden?
Wir können uns eine große Spannweite vorstellen zwischen einem leeren Raum, weiß gestrichen, ohne Ablenkung, Ecken und Kanten zur freien Entfaltung auf der einen Seite und auf der anderen einem vorstrukturierten Gebilde von Stationen, alles fein säuberlich beschrieben, ausgeschildert und passgenau, mit Plänen und Zeiten, To-Do Listen und Reihenfolgen. Die Einheiten sind kleinteilig und akkurat durchzuführen, es gibt nur den einen richtigen Weg.
Klingt beides wenig vielversprechend? Das könnten die beiden Extreme sein, ein unterstützender anregender Weg liegt wohl dazwischen.
Das Team TiDA hat sich auf den Weg gemacht, eine virtuelle Lernarchitektur zu konzipieren, die eine Orientierung bietende Struktur aufweist. Diese soll es den Nutzer*innen erlauben allein, aber auch mit steuernden Elementen die Angebote von HD@DH zu bearbeiten und diese in die eigene Lehre einzubeziehen.
Mit Jahresbeginn haben wir im Team daher einen Workshop abgehalten, in dem wir uns mit den beschriebenen Fragen auseinandergesetzt haben. Eine Frage, die uns dabei begleitet hat und begleitet: Wie viel Immersion braucht eine virtuelle Lernarchitektur, um als Weiterbildungsprogramm motivierend und gewinnbringend nutzbar zu sein, was ist zu viel und schreckt ab?
Ein mögliches Eintauchen lässt sich beispielsweise durch Storytelling unterstützen. So werden einzelne Selbstlerneinheiten kontextualisiert, Lernpfade entwickeln sich aus persönlichen Anliegen oder empfohlenen Wegen heraus. Die intrinsische Neugier wird angeregt.
Über strukturgebenden Elemente wie wiedererkennbare Abläufe und Platzierungen wird Orientierung geschaffen. Lernende können sich auf die Weiterbildung konzentrieren, ohne sich von Grund auf neu strukturieren zu müssen. Lernende werden mit steuernden Elementen unterstützt, Selbstlerneinheiten so zu bearbeiten, dass es dem individuellen Projekt zuträglich ist und die eigene Lehre weiterentwickelt. Von einer großen Karte lässt sich immer tiefer in Unterbereiche eintauchen und es lassen sich explorativ Materialen und Andockstellen erkunden.
Wir konzipieren also eine Lernwelt gefüllt mit funktionalen und inhaltlichen Angeboten; Selbstlerneinheiten, ergänzenden Angeboten wie Verweisen auf synchrone Angebote sowie gestaltbare Lernpfade, die den Weg hindurch navigieren. Dabei sollen die eigenen Pläne und Erfahrungen nicht zu kurz kommen. Eine persönliche Ansicht (Dashboard) soll dabei helfen die eigene Weiterbildung zu strukturieren und zu überblicken.
Nehmen wir also an, wir könnten eine Lernwelt erschaffen, eine komplexe Lernarchitektur, deren Komplexität in der Einfachheit ihrer Nutzung gefeiert wird. Eine Welt, die anregt Fragen zu stellen, die Antworten gibt und zur Weiterbildung zu hochschuldidaktischer Lehre im digitalen Kontext einlädt. Dann hätte das Team TiDA sein Ziel erreicht.
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