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Bericht OER-Fachtag Naturwissenschaften (für HD@DH.NRW)

Avatar of adminadmin - 04. Juli 2022 - Guestblog

Offenheit schafft Möglichkeiten: Fünf Erkenntnisse aus dem OER-Fachtag Naturwissenschaften

Autorinnen: Dr. Elisabeth Scherer, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Dr. Magdalena Spaude, Universität zu Köln; Sarah Görlich, Ruhr-Universität Bochum

Digitale Möglichkeiten zum Abbau von Barrieren, der Mehrwert bereits vorhandener Bildungsmaterialien, neue Ideen und didaktische Anreize: Der OER-Fachtag Naturwissenschaften, den ORCA.nrw-Netzwerkstellen von fünf NRW-Hochschulen unter der Federführung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf am 10. Juni organisiert haben, zeigte die vielen Facetten, die Open Educational Resources (OER) bieten können. Lehrende aus vier Projekten, in denen aktuell OER-Materialien entstehen, berichteten beim Fachtag von ihren Erfahrungen. Die Beispiele zeigten die didaktischen, technischen, und organisatorischen Herausforderungen, die mit solchen Projekten einher gehen. Der Fachtag wurde zu einer Gelegenheit für einen lebendigen Austausch für die OER-Community und für alle, die in das Thema hineinschnuppern und inspiriert werden möchten.

In diesem Beitrag teilen drei ORCA.nrw-Netzwerkstellen – ganz im Sinne des OER-Gedankens – ihre wichtigsten fünf Erkenntnisse aus der Veranstaltung.

 

1. Teilen zeigt die Wertschätzung der eigenen Arbeit

Bei diesem Fachtag standen zwar Open Educational Resources im Mittelpunkt. Aber natürlich ist einer der wichtigsten oder vielleicht der wichtigste Aspekt – weil es eben Educational Resources sind – dass und wie gut sie ihren Lehr-/Lern-Zweck erfüllen. Das Teilen ist in der Regel kein primäres Ziel bei der Erstellung von Lehr-/Lernmaterialien. Die Lehrenden brauchen andere Gründe, eine andere Motivation hierfür. Solche Gründe kamen auch bei den Vorstellungen der Projekte beim Fachtag häufiger zur Sprache. Ein bemerkenswertes Motiv, das eigene Material zu teilen, ist die eigene Wertschätzung für das Erstellte und die damit verbundene Arbeit. Viele Lehrende empfinden die eigene Arbeit umso sinnstiftender, je mehr Personen davon profitieren können – egal ob Studierende anderer Hochschulen oder Lehrende, die das Material als OER nachnutzen.

Prof. Dr. Dirk Burdinski (TH Köln), der den Keynote-Vortrag des Fachtags hielt, nannte noch einige weitere Gründe, die ihn zur Veröffentlichung seiner Materialien motivieren: „OER fördern Innovation und Kooperation, und sie schonen Ressourcen.“ Der Bedarf an guten Materialien, vor allem an Lehrvideos, sei während der Pandemie noch einmal enorm gewachsen. Burdinski sieht das auch auf seinem Youtube-Auftritt, wo er mehrere Kanäle zu den Themen seiner Lehre (u.a. einen Youtube-Kanal zu Anorganischer Chemie) betreibt. Seine Lehrvideos erreichen dort Tausende Aufrufe und erhalten viele wertschätzende Kommentare von Schüler*innen und Studierenden.

 

2. Erfahrungen anderer Lehrender sind die beste Motivation

Lehrende, die selber OER nutzen oder erstellen, sind die besten Botschafter*innen für die Sache der Openness in der Lehre. Natürlich liegt das schon alleine daran, dass sie mit ihrer Arbeit zeigen, dass es tatsächlich Personen gibt, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Hochschuldidaktiker*innen, E-Learning-Berater*innen oder im Fall von NRW die ORCA.nrw-Netzwerkstellen können viel von den Vorzügen von OER erzählen und so Werbung für das Konzept machen. Am glaubhaftesten ist dennoch eine ‚praktizierende‘ Lehrperson. Außerdem kann so ein Praktiker, so eine Praktikerin vom eigenen Einstieg in das Thema berichten, wie es dazu kam, welche Bedenken bestanden, wie sie überwunden wurden und nicht zuletzt welche Erfahrungen das Projekt mit sich gebracht hat. In seinem Eröffnungsbeitrag des OER-Fachtages teilte Dirk Burdinski all das mit den Anwesenden und bezog damit sehr authentisch und begeisternd Stellung ‚pro OER‘. Und auch die anderen Vortragenden motivierten mit ihren Beispielen aus dem ‚ganz normalen Lehralltag‘. Hoffentlich gibt es bald viele solcher Botschafter*innen!

 

3. Digitale Lösungen erschließen Räume für alle

Gerade in den Naturwissenschaften gibt es immer wieder Situationen, in denen physische Präsenz besondere Probleme oder gar Gefahren mit sich bringen kann. So schilderte Prof. Dr. Gela Preisfeld (Bergische Universität Wuppertal) beim Fachtag, dass die Arbeit mit Feuersalamandern in der freien Natur sehr schwierig sei, da diese einem besonderen Schutz unterliegen. „Bei Exkursionen besteht die Gefahr, dass durch die Fortbewegung im Habitat der Tiere schädliche Pilzsporen verbreitet werden“, erklärte Preisfeld. Diese seien Auslöser der „Salamanderpest“, die bei den Tieren unbehandelt tödlich verläuft. Digitale Lösungen können in solchen Situationen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Schüler*innen und Studierenden dennoch einen praxisnahen Zugang zu Forschungsgegenständen zu ermöglichen. In Preisfelds Fall geschieht dies über eine Lern-App zur „Salamanderpest“, mit der Schüler*innen die aktuelle Bedrohungslage für Amphibien kennenlernen und in einer Simulation Tiere untersuchen können.

Dass solche Simulationen auch eine Diversity-sensible Lehre fördern, zeigt das Beispiel von Dr. Mandy Dudas Projekten „Digifit“ und „DRAGON Ruhr“ (Ruhr-Universität Bochum). Duda und das Projektteam erstellen Lernangebote, die geowissenschaftliche Exkursionen simulieren, zum Beispiel zu einem schwer zugänglichen Wasserfall. Studierende mit physischen/psychischen Einschränkungen oder besonderen Care-Verpflichtungen können so an der Geländearbeit partizipieren, auch wenn es ihnen nicht möglich ist, direkt vor Ort zu sein. Technisch möglich wird dies durch 3D-Modelle der entsprechenden Geländeabschnitte, die in einen Moodle-Kurs eingebunden werden. Einblicke in diese digitalen Exkursionen bietet ein öffentlicher Moodle-Kurs aus dem Projekt Digifit. Ähnliche Lösungen sind denkbar für Forschungsbereiche, in denen eine Arbeit mit Gefahrenstoffen erforderlich ist oder die Tierversuche beinhalten.

 

4. Es lohnt sich, Studierende zu Produzent*innen von OER zu machen

Mit offenen digitalen Lehr-/Lernmaterialien zu arbeiten bedeutet nicht, dass Studierende einen fertigen Kurs geliefert bekommen müssen, den sie dann nur noch konsumieren. Im Gegenteil: In einigen der vorgestellten Projekte erwies es sich als sehr fruchtbar, die Studierenden selbst zu Produzent*innen von OER zu machen. „Die Motivation war sehr hoch“, berichtete zum Beispiel Dr. Anja Neuber (Universität zu Köln), die Studierende in die curriculare Überarbeitung des Bachelor-Studiengangs Biologie einbezogen hat. Die Studierenden produzierten dafür selbst eine dreiteilige Lehrfilm-Reihe – „Von der Humustheorie zur Welternährung 2050 - Misskonzeptionen in der naturwiss. Erkenntnisgewinnung“. Sie bereiteten dafür nicht nur die Inhalte verständlich auf, sondern erprobten den Einsatz verschiedener Video-Techniken, wie Anmoderation im Youtube-Stil oder Visualisierung mit einem Zeichenprogramm. Damit eigneten sich die Studierenden diverse überfachliche Kompetenzen an. Und das Produkt ist für die Zielgruppe besonders ansprechend geworden: Die Biologie-Studierenden werden von ihren „Peers“ durch die Inhalte geführt und in einer Sprache adressiert, die ihnen nah ist. Einen ähnlichen Effekt erzielt das Projekt OER.DigiChem.NRW, das beim Fachtag PD Dr. Klaus Schaper (HHU Düsseldorf) vorstellte. Hier werden Software-Tutorials (wie z.B. ein Video zur Erstellung von Gleichungen in Word) von studentischen Hilfskräften anmoderiert und kommentiert. 

Besonders erfolgversprechend ist es auch, Studierende verschiedener Fachbereiche für die Produktion von OER zusammen zu bringen: So gelang die sehr ansprechende Umsetzung der „Salamanderpest“-App im Projekt von Gela Preisfeld nur, weil der Biologie- und Design-Fachbereich sich dafür zusammenschlossen. Master-Studierende beider Fachbereiche bildeten ein Projektteam, und alle brachten ihre jeweiligen Fähigkeiten in die Konzeption und Gestaltung der App ein.

 

5. Einfach ausprobieren!

Am Ende hatte der OER-Fachtag vor allem einen großen Effekt: Die Vortragenden weckten mit ihren Beispielen die Lust aufs Entdecken und Experimentieren. Sicher haben einige Teilnehmende – wie wir auch – sich anschließend in den digitalen Gesteinsformationen von Mandy Duda auf Exkursion begeben oder im Projekt von Klaus Schaper geschaut, welche Tricks sie bei Software wie Word oder Excel noch nicht kennen. Und das eine oder andere Material wird sicher in Zukunft in der Lehre zum Einsatz kommen.

Wir nehmen auch die Motivation mit, einfach selbst mal etwas zu produzieren. Wie leicht das gehen kann, verdeutlichte Dr. Heike Seehagen Marx, die als Flying Expert Tipps zur Produktion von Lehr-/Lernmaterialien mit H5P im Gepäck hatte. Mit Hilfe der kostenlosen Software Lumi lassen sich auch offline interaktive H5P-Lerninhalte erstellen, wie z.B. interaktive Videos, virtuelle Touren oder ganze Lernmodule. Die Inhalte können anschließend als HTML- oder SCORM-Datei exportiert und in ILIAS oder Moodle implementiert werden. Das ist insbesondere dann sehr nützlich, wenn das Hochschul-LMS kein H5P-Plugin integriert hat.

Große Lust aufs Ausprobieren machte außerdem die Demonstration eines Lightboards von Peter Bernardi und PD Dr. Klaus Schaper (beide HHU Düsseldorf). Die beleuchtete Glasscheibe ermöglicht die einfache Produktion von Lernvideos, bei denen handgeschriebene bzw. gezeichnete Visualisierungen (z.B. Formeln, Schriftzeichen etc.) eine besondere Rolle spielen. „Dadurch, dass man am Lightboard sehr deutlich mit den Inhalten interagiert und zugleich zum Publikum schauen kann, nimmt man die Studierenden hier sehr gut mit“, erklärte Schaper seine Begeisterung für diese Art der Medienproduktion.

Den Fachtag haben ORCA.nrw-Netzwerkstellen von fünf NRW-Hochschulen gemeinsam organisiert. Mit dabei waren neben der HHU Düsseldorf die Ruhr-Universität Bochum die Universität zu Köln, die TH Köln und die Bergische Universität Wuppertal. Ein Bericht auf dem ORCA.nrw-Blog blickt auf die einzelnen Programmpunkte der Veranstaltung zurück. Die meisten Vorträge stehen in einer Playlist zum Fachtag in der HHU Mediathek als Aufzeichnung zur Verfügung.

Der nächste OER-Fachtag des Netzwerks Landesportal ORCA.nrw am 1. September 2022 widmet sich den Ingenieurwissenschaften. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit gibt es auf der Webseite des OER-Fachtags Ingenieurwissenschaften mit.

Dieser Artikel ist lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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